Die Erben der Stellings by Kanitz Christa

Die Erben der Stellings by Kanitz Christa

Autor:Kanitz, Christa [Kanitz, Christa]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7844-8177-7
Herausgeber: F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH München
veröffentlicht: 2014-11-17T00:00:00+00:00


Sechzehntes Kapitel

Etwa zur gleichen Zeit, in der Polizeihauptmann Thorsten Bremberg mit Patrick Stelling sprach, löste sich die ›Swan-Fairy‹ vom Kai im Grasbrookhafen. Die Maschine im Mittelteil des Schiffes arbeitete mit halber Kraft. Grauer Rauch wirbelte aus dem Schornstein, dann schrillte die Schiffssirene und zeigte die Abfahrt an. Viktoria trat von der Reling zurück. Genug gewinkt, dachte sie, ein wichtiger Teil des Lebens ist vorbei, mit dieser Reise fängt ein neuer Abschnitt an.

Sie dachte an ihren Kindheitstraum von der Fahrt im Bug des eigenen Schiffes, und der sollte endlich Wahrheit werden. Sie bat Christian, sich um das Handgepäck zu kümmern, »und dann möchte ich für eine Weile allein hier oben sein, Christian. Du verstehst mich hoffentlich, es ist ein Abschiednehmen und ich möchte ungestört sein.«

»Selbstverständlich, Tante Viktoria, ich bin in meiner Kajüte, wenn du mich suchst.«

»Lass das Wort ›Tante‹ bitte weg, es macht mich älter, als ich mich fühle«.

Der junge Mann lächelte. »Wie du willst«, dann ging er unter Deck. Viktoria sah sich um, würde man es als skurril ansehen, wenn sie sich da vorn in die Bugspitze stellte? Die Offiziere waren auf der Brücke, die anderen Passagiere – zehn außer ihr und Christian waren mit an Bord – hatten bereits ihre Kajüten aufgesucht und die Matrosen waren mit dem Ablegen des Schiffes beschäftigt. Viktoria zuckte mit den Schultern, sollen sie denken, was sie wollen.

Der Wasserstreifen zwischen Schiff und Kaimauer wurde breiter. Sie sah nach Osten hinüber, wo ein Mastenwald den Binnenschiff-Hafen markierte, dann hinunter auf das Treiben am Ufer. Wie immer, wenn ein Schiff ablegte, herrschte geschäftiges Gewimmel: Gepäckträger schoben leere Karren fort, Hafenarbeiter schleppten Seile und Trosse, Säcke und Werkzeug, die Hufe schwerer Zugpferde klapperten über die Steine. Möwen kreischten in Schwärmen über dem Schiff. – Ein Abschied, den sie hundertmal und öfter vom Ufer aus beobachtet hatte, wenn ihre Schiffe in See stachen, ein Abschied, den sie zum ersten Mal vom Bord eines Schiffes aus erlebte. Langsam glitt die ›Swan-Fairy‹ durch Seitenarme der Elbe und durch mehrere Hafenbecken.

Viktoria ging bis ganz nach vorn in die äußerste Spitze im Bug, wo die ›Schwanen-Fee‹ ihren Platz hatte. Das Schiff erreichte die Elbe und glitt in das schnellere Fahrwasser. Rechts am Ufer sah Viktoria die Hügel von St. Pauli, dann Oevelgönne, den kleinen Ort mit den Lotsen- und Kapitänshäusern, danach kam der Elbhang mit den Villen der wohlhabenden Kaufleute und Reeder, und dann sah sie die weiße Villa oben im Park, das Zuhause der Brennickes, von dem sie sich nun verabschiedete. Sie beugte sich vor und strich über die Gallionsfigur, die, nicht mehr wie früher über dem Klüverbaum schwebte, sondern als Namensgeberin im Bug aufgestellt war und mit ausgebreiteten Armen den Wind einzufangen schien. Sie liebte diese ›Schwanenfee‹ mit den gespreizten Flügeln, die golden glänzend den Weg nach vorn zum Meer hin zeigte.

Ein leichter Sturm zerrte an ihrem Mantel und riss ihr fast den Hut vom Kopf. Hastig zog sie den Schleier herunter und band ihn unter dem Kinn fest. Sie hatte Mühe, in dem frischen Fahrtwind aufrecht zu stehen, hielt



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